Wirtschaftliche Auswirkungen eines Glyphosatverbots auf die europäische Landwirtschaft

Robert Finger, Niklas Möhring, Per Kudsk*

Glyphosat ist das am häufigsten verwendete Pflanzenschutzmittel in Europa. Es gibt eine breite Palette relevanter Anwendungen in der europäischen Landwirtschaft, wie z.B. zur Unkrautbekämpfung in einjährigen und mehrjährigen Kulturen, Stoppel- und Nacherntebehandlung, Behandlung von Zwischenfrüchten und Kunstwiesen, Dauergrünlanderneuerung sowie zur Sikkation. In Europa wird Glyphosat derzeit jedes Jahr auf ca. 30 % der einjährigen Kulturen und 50 % der mehrjährigen Kulturen (wie Oliven, Wein und Obst) eingesetzt (Antier et al. 2020).

Die Verwendung von Glyphosat hat potenziell negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt (z. B. van Bruggen et al. 2018, EFSA 2022). Dies hat eine Debatte über ein vollständiges Verbot des Glyphosateinsatzes in Europa ausgelöst (siehe Kudsk & Mathiassen 2020). Nach mehrjährigen Diskussionen wird die Europäische Kommission voraussichtlich im Jahr 2023 eine strategische Entscheidung über die Erneuerung der Zulassung von Glyphosat treffen. Unabhängig davon haben mehrere europäische Länder kürzlich künftige Verbote oder massive Einschränkungen der Verwendung von Glyphosat angekündigt (z. B. Österreich, Deutschland, Frankreich). Während Entscheidungen über die Erneuerung der Zulassung von Pflanzenschutzmittelen in erster Linie von potenziellen Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit geleitet werden, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen bei jeder Entscheidung über ein Verbot eines so weit verbreiteten Produkts wie Glyphosat unweigerlich relevant. Allerdings fehlt es uns derzeit an Erkenntnissen über potenzielle wirtschaftliche Auswirkungen eines Verbotes auf die europäische Landwirtschaft.

In einem Artikel, der in der Zeitschrift Communications Earth & Environment veröffentlicht wurde (Finger et al. 2023), geben wir einen Überblick und eine Synthese der vorhandenen Erkenntnisse über potenzielle wirtschaftliche Auswirkungen eines Glyphosatverbots in der europäischen Landwirtschaft auf Betriebsebene. Diese Perspektive soll die Bewertung der Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit ergänzen und diese nicht ersetzen. Darüber hinaus ist das Verständnis der Auswirkungen einer strengeren Pflanzenschutzmittelpolitik für landwirtschaftliche Betriebe und Landwirte entscheidend für die Gestaltung einer besseren Agrarumweltpolitik.

Wir haben eine Literaturrecherche durchgeführt, die sowohl im Peer-Review Verfahren begutachtete als auch nicht begutachtete Studien umfasst und ein breites Spektrum von landwirtschaftlichen Systemen, Ländern und Sprachen berücksichtigt.

Dort, wo Glyphosat derzeit eingesetzt wird, können die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen eines Verbots aus einer Kombination von drei Haupteffekten resultieren. Erstens können alternative Strategien zur Unkrautbekämpfung oder anderen Anwendungen von Glyphosat teurer sein, zum Beispiel aufgrund zusätzlicher Kosten für Maschinen, Kraftstoff und Arbeit. Zweitens kann der Einsatz weniger wirksamer Alternativen zur Unkrautbekämpfung, z. B. gegen mehrjährige Unkräuter, zu Ertragseinbussen aufgrund geringerer Wirksamkeit führen. Drittens kann ein Verbot von Glyphosat zu grundlegenden und kostspieligen Veränderungen in den Anbausystemen führen. So sind beispielsweise die konservierende Landwirtschaft, Direktsaat und reduzierte Bodenbearbeitung häufig mit dem Einsatz von Glyphosat verbunden.

Bei unserer Analyse haben wir 19 Studien identifiziert, die die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Glyphosatverbots in europäischen Ländern bewerten. Da diese Studien häufig mehrere Kulturen, Fruchtfolgen, Regionen und sogar mehrere Länder abdecken, wurden bei unserer Überprüfung viele Einzelbewertungen (z. B. Kombinationen von Kulturen und Ländern) ermittelt. Die meisten Analysen konzentrieren sich jedoch nur auf einige wenige Länder und Anbausysteme, so dass grosse Literaturlücken zu den potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen eines Glyphosatverbots in Europa bestehen bleiben (Abbildung 1).

Unsere Analyse zeigt, dass die Bandbreite der wirtschaftlichen Auswirkungen erheblich ist. In begutachteten Studien reichen die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Glyphosatverbots beispielsweise von 2-3 €/ha (und Anbausaison) bei Silomais in Deutschland (Böcker et al. 2020) bis zu 12-553 €/ha im französischen Rebbau (Jacques et al. 2021 ). Die letztgenannten geschätzten wirtschaftlichen Auswirkungen entsprechen zwischen 1 % und 1-11 % der Gewinnspannen in den jeweiligen Anbausystemen. Eine Übersicht über alle Studien und die darin geschätzten wirtschaftlichen Auswirkungen finden Sie im Paper.

Abbildung 1. Verteilung der identifizierten Studien zu den wirtschaftlichen Auswirkungen eines Glyphosatverbots in Europa (berücksichtigte Anbausysteme in Klammern). Die Abbildung basiert auf http://www.freeworldmaps.net.

Unsere Untersuchung zeigt, dass die potenziellen wirtschaftlichen Verluste, die sich aus einem Glyphosatverbot ergeben, in absoluten Zahlen ausgedrückt bei mehrjährigen Kulturen wie Obst und Wein am grössten sind.  Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Glyphosatverbots sind – in absoluten Zahlen (d. h. in €/ha) – bei Ackerkulturen geringer, d. h. sie liegen gewöhnlich unter 100 €/ha und Jahr. Relativ gesehen (d. h. als Anteil am Deckungsbeitrag) sind diese Auswirkungen eines Glyphosatverbots für Ackerkulturen jedoch oft ähnlich hoch wie für mehrjährige Kulturen, da die Deckungsbeiträge für viele Ackerkulturen oft nur einige hundert Euro pro Jahr betragen.

Die hier identifizierten Studien zu den Auswirkungen eines Glyphosatverbots konzentrieren sich häufig insbesondere auf die Kosten für die Unkrautbekämpfung und die Auswirkungen auf die Erträge. Ein wichtiger Aspekt, der in diesen Studien berücksichtigt wird, ist, dass ein Verbot von Glyphosat eine Substitution durch andere Unkrautbekämpfungsmassnahmen erforderlich machen würde. Ein wichtiger Ersatz für Glyphosat ist zum Beispiel die mechanische Unkrautbekämpfung. Darüber hinaus wird bei nicht reduzierter Bodenbearbeitung und in der konservierenden Landwirtschaft derzeit hauptsächlich auf Glyphosat zur Unkrautbekämpfung zurückgegriffen. Ein Glyphosatverbot könnte daher zu einer geringeren Nutzung dieser Verfahren in Europa führen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Effekts auf Betriebsebene sind jedoch oft noch nicht umfassend quantifiziert worden. 

Unsere Studie zeigt, dass dort, wo Glyphosat derzeit eingesetzt wird, ein Verbot erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben kann, zumindest kurzfristig. Dieses Ergebnis spiegelt wider, dass Glyphosat in vielen landwirtschaftlichen Systemen ein integrierter Bestandteil geworden ist. Die Ersetzung von Glyphosat erfordert in der Regel ein Bündel von alternativen Massnahmen zur Unkrautkontrolle (z. B. Kombinationen von agronomischen und mechanischen Lösungen und eine Anpassung der Anbausysteme), da einzelne Substitute oft weniger effizient sind. Ein solcher Übergang könnte von der Politik durch die gezielte Entwicklung alternativer Technologien und alternativer Anbausysteme sowie durch die Stärkung unabhängiger Beratungsdienste unterstützt werden (Möhring et al. 2020). Politische Massnahmen können auch dazu beitragen, Zielkonflikte zwischen der Regulierung des Glyphosateinsatzes und anderen Agrarumweltzielen zu verringern, z. B. zur Vermeidung negativer Umweltauswirkungen durch eine geringere Verbreitung von reduzierter Bodenbearbeitung, Direktsaat und konservierender Landwirtschaft, welche derzeit stark auf Glyphosat angewiesen sind. Gezielte Massnahmen zur Unterstützung der Landwirte können dazu beitragen, die breite Einführung von Produktionssystemen zu entwickeln und zu fördern, die es ermöglichen, den Verzicht auf den Einsatz von Glyphosat und diese Verfahren zu kombinieren.

Unsere Analyse zeigt, dass nach wie vor grosse Wissenslücken bestehen, z. B. weil die meisten europäischen Länder und viele hochrelevante Anbausysteme in den vorhandenen Studien zu den wirtschaftlichen Auswirkungen eines Glyphosatverbots nicht berücksichtigt wurden (Abbildung 2). Eine gute Abdeckung verschiedener Anbausysteme und Länder wäre erforderlich, um einen vollständigen Überblick über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Glyphosateinsatzes zu erhalten. Diese Auswirkungen sind potenziell sehr heterogen, insbesondere entlang der unterschiedlichen Anbaubedingungen von Nord- nach Südeuropa. Im Norden sind zum Beispiel Vegetationsperioden kürzer, was die Möglichkeiten der mechanischen Bekämpfung insbesondere von mehrjährigen Unkräutern zwischen den Kulturen einschränkt. Darüber hinaus werden in den untersuchten Studien die potenziellen Nachteile einer Substitution von Glyphosat und die mittel- bis langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen eines Verbots, z. B. auf die Märkte oder durch Auswirkungen auf die Umwelt, nicht berücksichtigt. Um die festgestellten Wissenslücken zu schliessen braucht es konzertierte Anstrengungen systematisch Auswirkungen für die meisten europäischen Länder und Anbausysteme sowie eine breite Palette von Glyphosatverwendungen abzudecken.

Abschliessend sein bemerkt, dass sich unsere Studie auf die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen eines Glyphosatverbots in Europa auf der Ebene landwirtschaftlichen Betriebe konzentriert. Zentrale Aspekte wie Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt waren hingegen nicht Gegenstand unserer Studie. Daher ergänzt unsere Studie andere Bewertungen, die diese Aspekte abdecken (van Bruggen et al. 2018, EFSA 2022), sollte aber nicht die einzige Quelle für politische Entscheidungen sein.

Studie (open access): Finger, R., Möhring, N., Kudsk, P.  (2023). Glyphosate ban will have economic impacts on European agriculture but effects are heterogenous and uncertain. Communications Earth & Environment 4(286) https://doi.org/10.1038/s43247-023-00951-x

*Robert Finger (ETH Zürich), Niklas Möhring (University of Bonn), Per Kudsk (Aarhus University). Kontakt: Robert Finger, rofinger@ethz.ch

Referenzen

Antier, C., Kudsk, P., Reboud, X., Ulber, L., Baret, P. V., & Messéan, A. Glyphosate use in the European agricultural sector and a framework for its further monitoring. Sustainability, 12(14), 5682 (2020).

Böcker, T., Britz, W., Möhring, N. & Finger, R. An economic and environmental assessment of a glyphosate ban for the example of maize production. Eur. Rev. Agric. Econ. 47, 371–402 (2020).

EFSA European Food Safety Authority (EFSA) – Background Information on Glyphosate. https://www.efsa.europa.eu/en/topics/topic/glyphosate (accessed September 2022) (2022).

Finger, R., Möhring, N., Kudsk, P.  (2023). Glyphosate ban will have economic impacts on European agriculture but effects are heterogenous and uncertain. Communications Earth & Environment 4(286) https://doi.org/10.1038/s43247-023-00951-x

Jacquet, F., Delame, N., Vita, J. L., Huyghe, C. & Reboud, X. The micro-economic impacts of a ban on glyphosate and its replacement with mechanical weeding in French vineyards. Crop Protection 150, 105778 (2021).

Kudsk, P. & Mathiassen, S. K. Pesticide regulation in the European Union and the glyphosate controversy. Weed Sci. 68, 214–222 (2020).

Möhring, N., Ingold, K., Kudsk, P., Martin-Laurent, F., Niggli, U., Siegrist, M., Studer, B., Walter, A., Finger, R. (2020).Pathways for advancing pesticide policies. Nature Food 1, 535–540.

Van Bruggen, A. H. et al. Environmental and health effects of the herbicide glyphosate. Sci. Total Environ. 616, 255–268 (2018)

Dieser Blogeintrag ist im Original am 28.08.2023 auf dem Agrarpolitik-Blog erschienen: https://agrarpolitik-blog.com/2023/08/28/wirtschaftliche-auswirkungen-eines-glyphosatverbots-auf-die-europaische-landwirtschaft/

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