Eileen Ziehmann, Niklas Möhring, Robert Finger*
Der Schutz von Nutzpflanzen vor Unkräutern, Krankheiten und Schädlingen ist entscheidend für die Nahrungsmittelproduktion und die wirtschaftliche Rentabilität der Landwirtschaft. Heutige Pflanzenschutzstrategien beinhalten häufig den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, die jedoch oft negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben (Larsen et al., 2017). Aus diesem Grund wurden in der Schweiz und in Europa politische Ziele zur Reduktion der mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verbundenen Risiken festgelegt. Um diese Ziele zu erreichen, müssen die aktuellen Pflanzenschutzstrategien überarbeitet werden, zum Beispiel durch einen effizienteren Einsatz oder den Ersatz von Pflanzenschutzmitteln durch alternative Strategien (Finger, 2021).
Herbizide haben einen bedeutenden Anteil am gesamten Pflanzenschutzmittelverbrauch (32% weltweit, 26% in der Schweiz) (Fogliatto et al., 2020; Sharma et al., 2019) und bergen daher ein grosses Reduktionspotenzial. Zudem wird die Wirksamkeit vieler häufig eingesetzter Herbizide zunehmend durch Resistenzen in Unkräutern eingeschränkt (Van Deynze et al., 2020), weshalb Alternativen zu Herbiziden an Bedeutung gewinnen. Der Einsatz solcher Alternativen wird auch in der Schweizer Agrarpolitik aktiv gefördert, beispielsweise durch Direktzahlungen für den Verzicht auf Herbizide (Mack et al., 2023). Darüber hinaus gibt es teilweise Preiszuschläge für herbizidfreie Produktion, wie bei IP-Suisse. Trotz dieser Förderung und der Verfügbarkeit nicht-chemischer Unkrautbekämpfungsmethoden werden diese in begrenzten Umfang eingesetzt. Zudem sind sie oft mit Unsicherheiten und unklaren Auswirkungen auf Produktion und Einkommen verbunden (Böcker et al., 2019; Möhring et al., 2020).
In einem kürzlich veröffentlichten Artikel im Journal of Applied Economic Perspectives and Policy (Ziehmann et al., 2024) untersuchen wir die Auswirkungen verschiedener Alternativen zu Herbiziden auf Produktion und Wirtschaftlichkeit. Dazu entwickeln wir umfangreiche Erweiterungen für ein bestehendes bio-ökonomisches Modell, das den Einfluss verschiedener Herbizidverzichtsstrategien auf Produktion und Wirtschaftlichkeit simuliert (siehe auch Böcker et al., 2019). Wir berücksichtigen die Risiken verschiedener Strategien und die Risikoaversion der Produzent:innen. Dazu verwenden wir eine stochastische Dominanzanalyse. Ziel des Modells ist es zu identifizieren, welche Strategien zum Herbizidverzicht unter welchen Bedingungen von risikoaversen Produzent:innen bevorzugt werden. Wir wenden das Modell auf die Fallstudie von Schweizer Winterweizen an. Das Modell wird auch für eine Politikanalyse verwendet, bei der verschiedene Niveaus von Direktzahlungen und Preiszuschlägen modelliert und deren Auswirkungen auf die Anwendung und Wirtschaftlichkeit von herbizidfreien Unkrautbekämpfungsmethoden analysiert werden.
Herbizidfreier Weizen in Flaach, 2022. Foto: Robert Finger
Wir vergleichen insgesamt 27 Strategien, die sich aus mechanischen und agronomischen Methoden zur Unkrautbekämpfung zusammensetzen (Abbildung 1). Die mechanischen Methoden umfassen das Striegeln oder Hacken, während die agronomischen Methoden den Einsatz von Untersaaten, die Veränderung der Saatdichte und die Verwendung eines falschen Saatbetts umfassen. Diese Strategien werden mit einer Referenzstrategie verglichen, die den Einsatz von Herbiziden beinhaltet. Diese Referenzstrategie entspricht den aktuellen Anbaumethoden für Winterweizen (AGRIDEA und FiBL, 2023). Somit können herbizidfreie Unkrautbekämpfungsstrategien direkt mit dem Einsatz von Herbiziden verglichen werden. Für jede Strategie werden die Auswirkungen auf die Produktion, die Kosten, den Deckungsbeitrag und die Variabilität der Deckungsbeiträge (Risiko) dargestellt.
Abbildung 1: Die Abbildung zeigt die Zusammensetzung der im Modell miteinander – und mit der Referenzsstrategie (Herbizidnutzung) – verglichenen herbizidfreien Unkrautkontrollmethoden. Neben der Referenzsstrategie und der Untersaat-Strategie vergleicht das Modell eine Reihe von Strategien, welche aus Kombinationen mechanischer und agronomischer Unkrautkontrollmethoden bestehen. Dabei liegt jeder Kombinationsstrategie eine mechanische Basisstrategie zu Grunde, welche durch die unterschiedliche Anzahl mechanischer Kontrollinterventionen mit Striegeln und Hacken definiert ist. Diese Basisstrategien haben unterschiedliche Namen: die «Harrowing only» Strategie verwendet nur Striegel, die «Mostly Harrowing» Strategie zwei Interventionen mit einem Striegel und eine dritte (bei genügend hohem Unkrautdruck) mit der Hacke, und die «Mostly Hoeing» Strategie eine Intervention mit dem Striegel und bis zu zwei mit der Hacke.
Die Ergebnisse unserer Analyse zeigen, dass risikoaverse Landwirt:innen ohne finanzielle Unterstützung (z.B. in Form von Direktzahlungen und Preiszuschlägen) weiterhin Herbizide verwenden würden. Ohne Unterstützung lohnen sich Alternativen zu Herbiziden nicht.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei finanzieller Unterstützung (siehe Abbildung 1 für eine Übersicht der analysierten Unterstützungsniveaus) Alternativen zum Herbizideinsatz bevorzugt werden. Insbesondere wird dann die «Mostly Hoeing»-Strategie (d.h. ein Eingriff mit dem Striegel und bis zu zwei Eingriffe mit der Hacke) ohne Anpassung der Saatdichte oder des Saatbetts bevorzugt. Unser Modell zeigt, dass für die hier betrachtete Fallstudie Ertragseinbussen zu erwarten sind, wenn Herbizide durch herbizidfreie Unkrautregulierungsmethoden ersetzt werden. Während mit Herbizideinsatz durchschnittliche Weizenerträge von 52 dt/ha erzielt werden, sinken diese in herbizidfreien Systemen auf durchschnittlich 45 dt/ha. Die bevorzugte herbizidfreie «Mostly Hoeing»-Strategie erzielt durchschnittliche Erträge von 47 dt/ha, was einer Ertragsreduktion von ca. 10% gegenüber der Referenzstrategie (Herbizideinsatz) entspricht. Die durch die Ertragsminderung entstehenden Verluste und Mehrkosten werden durch die Förderung in den Politikszenarien mit finanzieller Unterstützung kompensiert. Diese Verschiebung von Herbiziden zu nicht-chemischen Unkrautbekämpfungsmethoden beobachten wir bereits bei den aktuell verfügbaren Fördermassnahmen für ‘IP-Suissse pestizidfreier Weizen’ in der Schweiz (d.h. ab Direktzahlungen von 250 CHF/ha und Preiszuschlägen von 10 CHF/dt für Herbizidverzicht). Konzeptionell gibt es Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen (Finger & Möhring 2024). Preiszuschläge bieten den Landwirten einen Anreiz, die Ertragsverluste durch den Herbizidverzicht so gering wie möglich zu halten, z.B. durch zusätzliche mechanische Unkrautkontrolle. Direktzahlungen pro Hektar geben diesen Anreiz nicht direkt nicht, tragen aber dazu bei, das wirtschaftliche Risiko für die Landwirte insgesamt zu reduzieren, da die Zahlungen nicht von den erzielten Erträgen abhängig sind.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Umstellung auf herbizidfreie Produktion auch in Szenarien möglich ist, die nur Direktzahlungen oder nur Preiszuschläge als Fördermassnahmen beinhalten, allerdings nur, wenn höhere Niveaus der jeweiligen Unterstützungsmassnahme angeboten werden. Dadurch ist der absolute Geldwert der Förderung dann höher als bei einer Kombination der Massnahmen. Eine Kombination aus ertragsunabhängigen Direktzahlungen und ertragsabhängigen Preiszuschlägen weist somit die höchste Kosteneffizienz für die Förderung herbizidfreier Systeme auf. Des Weiteren zeigen unsere Ergebnisse, dass für das hier verwendete Beispiel die Produktionsrisiken in herbizidfreien Systemen im Vergleich zum Herbizideinsatz sinken. Der Grund dafür sind niedrigere, aber stabilere Erträge in herbizidfreien Produktionssystemen, die zu geringeren absoluten Schwankungen der Deckungsbeiträge führen. In Szenarien, in denen zusätzlich ertragsunabhängige Direktzahlungen angeboten werden, tragen diese ebenfalls zu stabileren Deckungsbeiträgen und damit zu einer Reduktion des Produktionsrisikos bei. Dies führt dazu, dass nicht-chemische Unkrautkontrollmethoden vor allem für risikoaverse Landwirt:innen attraktive Alternativen zu Herbiziden darstellen. Oft stimmt diese risikoreduzierende Eigenschaft herbizidfreier Systeme jedoch nicht mit den Erwartungen von Produzent:innen überein; der Ersatz von Pflanzenschutzmitteln durch herbizidfreie Alternativen wird meist sogar als risikoerhöhend betrachtet (Garcia et al., 2024).
Unsere Analyse zeigt, dass Herbizide die bevorzugte Unkrautbekämpfungsmethode bleiben, wenn keine finanzielle Unterstützung für Alternativen angeboten wird. Es zeigt sich aber auch, dass die derzeit in der Schweiz angebotenen Fördermassnahmen für eine herbizidfreie Landwirtschaft in Form von Direktzahlungen und Preiszuschlägen ausreichen, um die Landwirt:innen in der hier dargestellten Situation – die einen durchschnittlichen Betrieb widerspiegelt – zu einem vermehrten Herbizidverzicht zu bewegen. Darüber hinaus zeigt unsere Analyse, dass der Verzicht auf Herbizide unter den hier getroffenen Annahmen das Produktionsrisiko reduzieren kann. Eine Kommunikation von Kosten, Nutzen, Erfahrungen und Risiken kann helfen, den Herbizidverzicht attraktiver zu machen (Garcia et al., 2024; Möhring et al., 2023). Wichtig ist auch die ganzheitliche Betrachtung herbizidfreier Systeme, da diese immer mit Zielkonflikten und Nebenwirkungen verbunden sind. Die in solchen Systemen beobachteten Ertragseinbussen könnten beispielsweise in Zeiten erhöhter Nahrungsmittelnachfrage ein mögliches Problem darstellen (Candel et al., 2023). Darüber hinaus stellt der verstärkte Einsatz mechanischer Unkrautregulierung langfristig eine hohe Belastung für landwirtschaftliche Böden dar (Tran et al., 2023). Solche Nebeneffekte sollten von der Politik berücksichtigt und in bestehende Politikinstrumente (z.B. Direktzahlungen für schonende Bodenbearbeitung) integriert werden, um eine möglichst nachhaltige Entwicklung der Schweizer Landwirtschaft zu ermöglichen.
Artikel (open access): Ziehmann, E., Möhring, N., and Finger, R. (2024). Economics of herbicide-free crop production. Applied Economic Perspectives and Policy. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/aepp.13461
*Autoren: Eileen Ziehmann, Robert Finger (ETH Zürich) und Niklas Möhring (Universität Bonn). Kontakt: aziehmann@ethz.ch
*Der Blog Post ist zuerst am 22.07.2024 auf dem Agrarpolitik Blog erschienen: https://agrarpolitik-blog.com/2024/07/22/okonomische-implikationen-herbizidfreier-weizenproduktion/
Referenzen
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Tran, D., Schouteten, J. J., Degieter, M., Krupanek, J., Jarosz, W., Areta, A., … & Gellynck, X. 2023. “European stakeholders’ perspectives on implementation potential of precision weed control: the case of autonomous vehicles with laser treatment.” Precision Agriculture: 1-23.
Die Studie wurde von der ETH Foundation und der Uniscientia Foundation im Rahmen des Projekts „Towards pesticide free agricultural production systems“ finanziell unterstützt.