Production Economics Group

Risikopräferenzen und -wahrnehmungen und die Teilnahme an pestizidfreier Landwirtschaft

Viviana Garcia, Niklas Möhring, Yanbing Wang, and Robert Finger*

Die Reduktion der Risiken des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln für Mensch und Umwelt sind von zentraler politischer Relevanz. Die Einführung von pestizidfreier, aber nicht biologischer Landwirtschaft ist ein vielversprechender Weg (von vielen) um diese Ziele zu erreichen (Jacquet et al., 2022; Möhring et al., 2020). In der Schweiz werden diese Ansätze im Rahmen von pestizidfreiem Getreide durch IP Suisse (Möhring und Finger 2022) und spezifische Direktzahlungsprogramme für alle Ackerkulturen (Mack et al. 2023) unterstützt. Die Einführung dieser Systeme erfolgt für Landwirte und Landwirtinnen jedoch in einer unsicheren Umwelt mit vielen wichtigen Risiken, zum Beispiel hinsichtlich der Produktion, Märkten oder der (Stabilität von) Agrarpolitik. In einem in der Fachzeitschrift Journal of Agricultural and Resource Economics veröffentlichtem Artikel (Garcia et al., 2024) untersuchen wir die verschiedenen Risiken, denen Landwirte und Landwirtinnen bei pestizidfreier Weizenproduktion ausgesetzt sind, und wie sich diese auf die Entscheidung zur Teilnahme auswirken und über die Zeit verändern.

 In diesem Artikel beantworten wir die folgenden drei Fragen:

  • Welche sind die wichtigsten von Landwirten und Landwirtinnen wahrgenommenen Risiken im Zusammenhang mit der Einführung der pestizidfreien Weizenproduktion?
  • Wie unterscheidet sich diese Wahrnehmung zwischen den Landwirten und Landwirtinnen, die früh auf pestizidfreie Weizenproduktion umgestellt haben und denen, die später oder gar nicht umstellen wollen?
  • Welche Rolle spielen Risikopräferenzen und Risikowahrnehmungen in verschiedenen Bereichen für die Entscheidung zur Einführung pestizidfreier Weizenproduktion?

Der Fokus auf sowohl Risikopräferenzen als auch verschiedene Bereiche der Risikowahrnehmung ermöglicht eine genaue und nuancierte Charakterisierung des Risikokontexts der Landwirte und Landwirtinnen.

Wir konzentrieren uns auf die Einführung der pestizidfreien Weizenproduktion durch IP-Suisse Produzenten. Diese produzieren Weizen bereits im Extenso-Anbau, d.h. ohne Fungizide, Insektizide und Wachstumsregler. Seit der Anbausaison 2019/2020 existiert zudem die Option des pestizidfreien Anbausystems, bei dem zusätzlich auf Herbizide und Saatgutbeize verzichtet werden. Die Umstellung auf pestizidfreie Produktion impliziert niedrigere Erträge, wird jedoch mit Direktzahlungen und Preiszuschlägen kompensiert (Möhring und Finger, 2022).  Die Umstellung hat einen langfristigen Charakter, da Landwirte und Landwirtinnen Fruchtfolgen anpassen und in neue Maschinen investieren, z.B. zur mechanischen Unkrautbekämpfung.

Unsere Analysen beruhen auf Umfragedaten von Möhring & Finger (2022) mit 1.029 IP Suisse Weizenproduzenten. Die Daten wurden in einer Umfrage im Dezember 2019 bis Januar 2020 erhoben, in denen Landwirte und Landwirtinnen unter anderem angaben, ob sie auf pestizidfreie Weizenproduktion umgestellt haben, oder dies in den kommenden Jahren vorhaben. Zudem wurden Risikopräferenzen und Risikowahrnehmung erhoben.

Bei der Risikowahrnehmung der Landwirte haben wir uns auf vier zentrale Typen von Risikofaktoren bei der Umstellung konzentriert: i) pestizidfreie Produktionssysteme erhöhen ggf. Produktionsrisiken also könnten zu volatileren Erträgen, Qualität und Unkrautdruck für die Fruchtfolge führen, ii) Preiszuschläge sind nicht zwingend für die Ewigkeit, d.h. es besteht ein Marktrisiko, iii) auch Direktzahlungen können sich in ihrer Höhe und Ausgestaltung in der Zukunft ändern, es besteht als auch ein Politikrisiko, iv) es besteht ein generelles Risiko für nötige Investitionen.

Abbildung 1 zeigt die durchschnittlichen wahrgenommenen Risikolevel für jeden der Risikobereiche unter drei Gruppen von Landwirten und Landwirtinnen: i) die früh (d.h. in der Anbausaison 2019/20) auf pestizidfreie Weizenproduktion umgestellt haben N=191), ii) denen, die angeben später umstellen zu wollen (N=487), und iii) denen die gar nicht umstellen wollen (N=395).

Abbildung 1: Die Wahrnehmung unterschiedlicher Risiken im Zusammenhang mit der Einführung pestizidfreier Weizenproduktion

Über alle Gruppen und Typen von Risiken hinweg ist das wahrgenommene Risiko bezüglich mehr Unkrautdruck in der Fruchtfolge am grössten, gefolgt von Risiken bzgl. Änderungen bei Direktzahlungen. Landwirte und Landwirtinnen, die früh (d.h. in der Anbausaison 2019/20) auf pestizidfreie Weizenproduktion umgestellt haben nehmen im Mittel Risiken in allen Bereichen als am Geringsten wahr.  Es folgen Landwirte und Landwirtinnen, die angeben später umstellen zu wollen, und solche die gar nicht umstellen wollen. Wir finden also einen klaren Zusammenhang zwischen Risikowahrnehmung und dem Umstellungsverhalten. Wer die Risiken als grösser wahrnimmt stellt weniger wahrscheinlich auf pestizidfreie Produktion um.

Wenn wir die Beziehung zwischen Risikopräferenzen, Risikowahrnehmungen und Entscheidungen zur Umstellung zu pestizidfreier Weizenproduktion dann mit Hilfe statistischer Modelle untersuchen, zeigt sich, dass Produktions- und institutionelle Risiken als entscheidende Faktoren im Entscheidungsprozess der Landwirte und Landwirtinnen hervorstechen. Landwirte und Landwirtinnen, die diese Risiken als hoch einschätzen, neigen eher dazu, die Einführung zu verzögern oder ganz davon abzusehen. Markt- und Investitionsrisiken spielen nur eine geringe Rolle. Zudem zeigen wir, dass risikofreudige Landwirte eher dazu neigen umzustellen. Im Gegensatz dazu, sind risikoscheue Landwirte und Landwirtinnen eher abwartend oder wollen gar nicht umstellen.

Wie relevant ist dies für Politik und Industrie?

Das pestizidfreie Weizenproduktionssystem basiert auf einer Reihe von Anreizen zur Förderung der Einführung. Dazu gehören Preiszuschläge und Direktzahlungen. Obwohl sowohl Direktzahlungen als auch Preiszuschläge wichtig für die Wirtschaftlichkeit pestizidfreier Produktion sind, zeigt unsere Studie eine Nuance auf: Während die wahrgenommenen Risiken das derzeitige Direktzahlungen wieder eingestellt werden signifikant mit der Teilnahmeentscheidung verbunden sind, lässt sich dasselbe nicht für Preiszuschläge sagen. Dies kann am sich stetig ändernden agrarpolitischem Umfeld liegen. Im Gegensatz zu den langjährigen Beziehungen von Landwirten und Landwirtinnen, IP-Suisse und Marktpartnern, die eine gewisse Vertrauensbasis bedeutet. Unsere Ergebnisse unterstreichen daher die entscheidende Rolle von Vertrauen, sowohl in die Politik als auch in Absatzmärkte bei der Umstellung zu pestizidfreier Weizenproduktion.

Zudem ist eine Kombination von Massnahmen zur Reduzierung von Produktionsrisiken für Landwirte und Landwirtinnen, die an pestizidfreier Produktion teilnehmen, entscheidend. Dies umfasst zusätzliche Beratung zum effektiven und effizienten Pflanzenschutz, massgeschneiderter Gestaltung von Produktionssystemen (wie spezifischer Fruchtfolgen) und die Unterstützung kostengünstiger und zuverlässiger Innovationen, z.B. in Technologien und Anbausystemen. Auch die Kommunikation von der der Austausch zu Erfahrungen, insbesondere unter Landwirten und Landwirtinnen, ist zentral (Wang et al. 2023). Unsere Ergebnisse erzeigen auch, dass neue Risikomanagementinstrumente, einschliesslich spezifischer Versicherungslösungen, die Bereitschaft zur Umstellung auf pestitzidfreie Produktion erhöhen können. Industrie, Politik und Landwirtschaft können zusammen ein robustes Umfeld zu schaffen, das Risiken reduziert und Vertrauen fördert.

Studie (open access): Garcia, V., Möhring, N., Wang, Y., & Finger, R. (2024). Risk Perceptions, Preferences, and the Adoption Dynamics of Pesticide-Free Production. Journal of Agricultural & Resource Economics49(1). https://jareonline.org/articles/risk-perceptions-preferences-and-the-adoption-dynamics-of-pesticide-free-production/

Referenzen

Finger, R., & El Benni, N. (2013). Farmers’ adoption of extensive wheat production–Determinants and implications. Land Use Policy30(1), 206-213.

Jacquet, F., M.-H. Jeuffroy, J. Jouan, E. Le Cadre, I. Litrico, T. Malausa, X. Reboud, and C. Huyghe (2022). Pesticide-Free Agriculture as a New Paradigm for Research. Agronomy for Sustainable Development 42(1):8. doi: 10.1007/s13593-021-00742-8

Mack, G., Finger, R., Amman, J., El Benni, N. (2023). Modelling policies towards pesticide-free agricultural production systems . Agricultural Systems 207: 103642 https://doi.org/10.1016/j.agsy.2023.103642

Möhring, N., & Finger, R. (2022). Pesticide-free but not organic: Adoption of a large-scale wheat production standard in Switzerland. Food Policy106, 102188. https://doi.org/10.1016/j.foodpol.2021.102188

Möhring, N., K. Ingold, P. Kudsk, F. Martin-Laurent, U. Niggli, M. Siegrist, B. Studer, A. Walter, and R. Finger. (2020). Pathways for Advancing Pesticide Policies. Nature Food 1(9):535–540. doi: 10.1038/s43016-020-00141-4

Wang, Y., Möhring, N., Finger, R. (2023). When my neighbors matter: spillover effects in the adoption of large-scale pesticide-free wheat production. Agricultural Economics 54(2): 256-273 https://doi.org/10.1111/agec.12766

*Autoren: Viviana Garcia (ETH Zürich), Yanbing Wang (Agroscope), Niklas Möhring (Univseristät Bonn), Robert Finger (ETH Zürich). Kontakt: Viviana Garcia (vgarci@ethz.ch )

Note that this blog post was originally published on the 15th of January, 2024 on the Agrarpolitikblog: https://agrarpolitik-blog.com/2024/01/15/risikopraferenzen-und-wahrnehmungen-und-die-teilnahme-an-pestizidfreier-landwirtschaft/

Share on Social Media:

Subscribe to our Blog via Email

Enter your email address to subscribe to this blog and receive notifications of new posts by email.