Autoren: Niklas Möhring, Adrian Müller, Sergei Schaub
Weltweit wurden politische Ziele zur Steigerung des Anteils ökologischer Landwirtschaft gesetzt. Diese Ziele wurden jedoch bisher nicht erreicht, und die Adoptionsraten variieren stark zwischen Ländern und Kulturen. Eine zentrale Frage ist daher, welche Maßnahmen Akteure der Lebensmittelwertschöpfungskette und politische Entscheidungsträger ergreifen könnten, um die ökologische Landwirtschaft auszuweiten und gesteckte Ziele zu erreichen. Wissenschaftliche Erkenntnisse können hierbei eine wertvolle Grundlage für faktenbasierte Entscheidungen bieten. Es gibt zahlreiche Fallstudien, doch fehlte bislang eine systematische Übersicht dieser Ergebnisse.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie im European Review of Agricultural Economics (Möhring et al., 2024) haben wir globale Erkenntnisse zu Maßnahmen zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft systematisch untersucht.
Frühere Forschungen zur Adaption von Innovationen in der Landwirtschaft zeigen, dass der Kontext und die Phase der Einführung entscheidende Faktoren für die Entscheidungen der Landwirte und die Wahl geeigneter politischer Maßnahmen sind (Wigboldus et al., 2016). Deshalb haben wir in unserer Untersuchung speziell die Heterogenität globaler Agrarsysteme berücksichtigt, um zu analysieren, welche Maßnahmen in welchem Kontext funktionieren. Zudem identifizierten wir geografische und methodologische Lücken in der aktuellen Literatur und schlagen Ansätze für zukünftige Forschung vor.
Unsere Untersuchung konzentriert sich auf quantitative Studien zur Einführung zertifizierter ökologischer Landwirtschaft, um einen einheitlichen Rahmen für Vergleiche zu schaffen. Wir haben Peer-Reviewte Studien aus den Jahren 2000 bis 2021 in vier Datenbanken durchsucht: Scopus, Web of Science, CAB Direct und Google Scholar. Aus ursprünglich 18.129 Referenzen identifizierten wir 120 relevante Studien. Für jede Studie extrahierten wir Informationen über den Kontext, die Qualität, den Publikationstyp und das Fachgebiet. Zudem haben wir insgesamt 182 politische Handlungsempfehlungen für die Förderung der ökologischen Landwirtschaft gesammelt und überprüft, ob diese mit den Forschungsfragen und Ergebnissen übereinstimmen.
Eine Übersicht globaler Politikempfehlungen
Wir haben die 182 identifizierten Empfehlungen in folgende Kategorien unterteilt: „Bewusstsein & Wissen“ (77 identifizierteEmpfehlungen), „Politik“ (60), „Kooperation“ (8), „Infrastruktur & Transaktionen“ (11) sowie „Wertschöpfungsketten & Märkte“ (26). Diese ordneten wir den unterschiedlichen Phasen des Adoptionsprozesses der Landwirte zu (siehe Abb. 1). Darüber hinaus geben wir einen vollständigen und detaillierten Überblick über die empfohlenen Maßnahmen. Die Übersicht dient als wertvolle Ressource für Stakeholder, die evidenzbasierte Studien zu Maßnahmen in unterschiedlichen Kontexten suchen.
Abb.1 Überblick identifizierter Maßnahmen für den Ausbau ökologischer Landwirtschaft.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass effektive Maßnahmen zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft räumlich (Umweltbedingungen), zielgruppenspezifisch (Merkmale von Betrieben und Landwirten) und zeitlich (Phasen der Einführung) differenziert werden sollten. Besonders wirksam sind intelligente Kombinationen aus Maßnahmen. Dies können zum Beispiel Subventionen, Informationskampagnen, Beratung oder die Unterstützung von Genossenschaften sowie die Abschaffung und Neuausrichtung von bestehenden Anreizen und Hemmnissen sein.
Wie sollten Maßnahmen an den Produktionskontext angepasst werden?
Nach der Kategorisierung und Kartierung wurden die Empfehlungen mit räumlich expliziten Daten, z.B. umwelt-, sozioökonomischen und institutionellen Faktoren abgeglichen. Wir stellten fest, dass in Regionen mit geringem Anteil an ökologischer Produktion Aufklärungsmaßnahmen empfohlen werden, während in Regionen mit einem hohen Anteil politische Maßnahmen wie Subventionen oder der Abbau wirtschaftlicher Hemmnisse empfohlen werden. In produktiveren Produktionssystemen sollten Maßnahmen zur Förderung von Kooperationen zwischen Landwirten eingeführt werden, während in weniger produktiven Systemen Aufklärungs- und Infrastrukturmaßnahmen Priorität haben sollten.
Forschungslücken und zukünftige Forschungsansätze
Wir identifizierten erhebliche Forschungslücken. So fehlt es an Studien für wichtige Exportländer (Kanada, Südamerika, Ozeanien) sowie Regionen mit geringem Anteil ökologischen Landwirtschaft (Afrika, Zentralasien, Osteuropa) (Abb. 2). Um die Entscheidungsträger bei der Auswahl geeigneter politischer Maßnahmen besser unterstützen zu können, muss die Forschung wichtige geografische Lücken schließen, insbesondere für Exportregionen und Regionen mit geringem Anteil ökologischer Landwirtschaft.
Darüber hinaus sind die Veränderungen im Laufe der Zeit, d. h. der Diffusionsprozess des ökologischen Landbaus, nicht ausreichend erforscht, und es besteht ein deutlicher Mangel an Studien, die kausale Ansätze verwenden oder sich eingehend mit spezifischen Mechanismen des Adoptionsprozesses befassen. Forschungsprojekte, die kausale Zusammenhänge und detaillierte Mechanismen analysieren, sind erforderlich, um unser Verständnis des Adoptionsprozesses zu verbessern. Solche Studien müssen finanziert, machbar und belohnt werden, wofür angepasste Forschungsanreize notwendig sind.
Die meisten Studien berücksichtigen zudem nicht die Nachfrageseite, obwohl diese ein wichtiger Treiber für die Entscheidungen der Landwirte sein kann. Zukünftige Forschung sollte die Lücke zwischen Angebots- und Nachfrageforschung schließen, um Adoptionsentscheidungen und mittel- bis langfristige Dynamiken besser zu erklären.
Abb. 2. Verteilung identifizierter Studien vs. Anteil ökologischer Landwirtschaft
Politische Implikationen
Unsere systematische Übersicht bietet eine umfassende Grundlage für evidenzbasierte Handlungsempfehlungen zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft. Zentrale Schlussfolgerungen sind, dass Maßnahmen an lokale Kontexte und zeitliche Dynamiken angepasst werden sollten. Zudem sollte das bisher eher begrenzte Spektrum an politischen Maßnahmen durch intelligente Kombinationen aus Beratung, Informationskampagnen und marktbasierten Maßnahmen sowie der Beseitigung von Hemmnissen erweitert werden.
Niklas Möhring ist an der Universität Bonn, Deutschland; Adrian Müller beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Schweiz; Sergei Schaub bei Agroscope, Schweiz.
Referenzen
Möhring, N., Muller, A., & Schaub, S. (2024). Farmers’ adoption of organic agriculture—a systematic global literature review. European Review of Agricultural Economics, jbae025. https://doi.org/10.1093/erae/jbae025
Wigboldus, S., Klerkx, L., Leeuwis, C., Schut, M., Muilerman, S., & Jochemsen, H. (2016). Systemic perspectives on scaling agricultural innovations. A review. Agronomy for sustainable development, 36, 1-20.